Überqualifiziert als Bewerber: Zu gut für den (Traum-) Job

Wenn es im Rahmen eines Bewerbungsgesprächs heißt, man sei überqualifiziert, wirkt dies auf den ersten Blick verwunderlich. Zu gut für einen Job zu sein, sollte eigentlich nicht möglich sein. Denn ein Arbeitgeber müsste doch eigentlich froh sein, für sein Geld eine deutlich bessere Kraft zu erhalten, als dieser eigentlich benötigt. Auf der anderen Seite gibt es für Arbeitgeber an vielen Stellen durchaus Gründe, Skepsis zu entwickeln.

Überqualifiziert = Zu teuer oder zu schnell gelangweilt?

Ein zentrales Problem des Begriffs „überqualifiziert“ ist, dass dieser sich in unterschiedliche Richtungen deuten lässt. Häufig wird er verwendet, wenn ein Arbeitgeber nicht zugeben möchte, dass ihm ein Bewerber zu teuer ist, was dessen im Bewerbungsgespräch geäußerte Gehaltsvorstellungen betrifft.

Genauso kann es aber sein, dass ein Arbeitgeber fürchtet, dass sich der betreffende Kandidat in der neuen Stelle tatsächlich schnell langweilt. Dann kommt es entweder dazu, dass dieser sich rasch auf eine andere Stelle bewirbt oder dass er auf Dauer am Arbeitsplatz schlechte Stimmung verbreitet, die sich auch auf andere Mitarbeiter übertragen kann. Doch selbst wenn der Bewerber selbst sich gut einfügt, kann er gleichwohl eine einschüchternde Wirkung auf andere haben.

All diese Überlegungen sind möglich. Für einen Bewerber ist es deshalb wichtig, im Gespräch flexibel reagieren zu können, je nachdem, wo der Hase gegebenenfalls im Pfeffer liegt.

Zu gut für den Job? Zweifel und Bedenken entkräften

Hinsichtlich der richtigen Reaktion kommt es entscheidend darauf an, die Äußerung im Rahmen des Bewerbungsgesprächs auf emotionaler Ebene richtig auszudeuten. Sofern es sich beim Begriff „überqualifiziert“ lediglich um eine höfliche Floskel handelt, geht es in der Regel darum, auf möglichst diplomatischem Wege zu kommunizieren, dass es mit der angestrebten Stelle nichts wird.

Lässt sich dagegen davon ausgehen, dass der Arbeitgeber echte Zweifel offen anspricht, sollte versucht werden, diese Bedenken zu entkräften. Für alle genannten Gründe gibt es eine ebenso lange Reihe von Gegenargumenten. Diese sollten entsprechend ins Feld geführt werden, um am Ende vielleicht doch noch zu einer Einigung zu kommen.

> Kompromissbereitschaft zeigen und weniger Gehalt verlangen
Eine Möglichkeit für überqualifizierte Bewerber ist, die Rückfrage zu stellen, ob die Bedenken aus den eigenen Gehaltsvorstellungen herrührt. Falls dies der Fall ist, lassen sich vielleicht Lösungen dahingehend finden, dass für die erste Zeit eine etwas geringere Entlohnung vereinbart wird. Genauso gut denkbar ist eine stärkere Gewichtung der erfolgsabhängigen Anteile des Lohns. Vielleicht liegen die Vorstellungen beider Parteien ja zumindest so nahe beieinander, dass eine Regelung dieser oder ähnlicher Art möglich ist.

> Loyalität zum Unternehmen versichern
Eine weitere zuvor behandelte Befürchtung ist, dass der Kandidat nicht lange in der jeweiligen Stelle tätig sein wird. In diesem Fall sollte man als Bewerber darlegen, dass die Bewerbung bei genau diesem Arbeitgeber eine bewusste Entscheidung war. Etwa, weil man gerne in einer bestimmten Gegend dauerhaft leben möchte und andere Angebote nicht vorhanden waren und man gerne in genau diesem Unternehmen Karriere machen möchte. Wichtig ist einem solchen Fall die Bedenken zu zerstreuen, dass es sich nur um eine Übergangslösung handelt und dem potentiellen Arbeitgeber loyal sein wird.

> Downshifting: Eine bewusste Entscheidung
Das vermutlich stärkste Argument gegen den Vorhalt „überqualifiziert“ ist die bewusste Entscheidung für ein geringeres Maß an beruflicher Beanspruchung.

Für dieses sogenannte Downshifting kann es viele Gründe geben. So kann es etwa sein, dass das bisherige Betätigungsfeld nicht die gewünschte Work-Life-Balance geboten hat. Wer sich in den kommenden Jahren mehr der Familie widmen möchte, sollte diese Entscheidung offen kommunizieren.

Ein weiterer Grund für ein bewusstes Downshifting des Jobs in einer Führungsposition ist oftmals der Wunsch nach bestimmten Aufgaben, die in einer Führungsposition nicht vorgesehen sind oder aber eben der Feststellung, dass man weniger Verantwortung übernehmen oder auch Druck von den eigenen Schultern nehmen möchte. Auch diese Gründe kann man offen und direkt im Vorstellungsgespräch kommunizieren und so Bedenken entkräften.

Apropos Kommunikation: Persönliche Gründe darlegen

Wenn der Arbeitgeber mit offenen Karten gespielt hat und seine Bedenken offen geäußert hat, ist es für Bewerber wichtig, auch ein hohes Maß an Ehrlichkeit an den Tag zu legen. Natürlich ist es ein Risiko auszusprechen, dass man in Zukunft gerne weniger arbeiten möchte. Dank der höheren Qualifikation lassen sich bestimmte Aufgaben aber auch in geringerer Zeit erledigen. Insofern kommt es darauf an, die eigenen Überlegungen der Interessenlage des Arbeitgebers möglichst gut anzupassen.

Wer mehr Zeit für die Familie haben möchte, sollte dies offen ansprechen. Andererseits kann es nichts schaden, einfließen zu lassen, dass es selbstverständlich phasenweise möglich sein würde, das Pensum nach den Erfordernissen des Arbeitgebers zu erhöhen, da man dieses Pensum bis in die jüngste Vergangenheit dauerhaft geleistet hat.

Lohnverzicht wird durch Downshifting nachvollziehbarer

Nicht zuletzt macht diese Art von Offenheit auch deutlicher, warum man sich mit weniger Lohn zufrieden gibt, als man eigentlich verdienen könnte. Die Angst vor einem schnellen Wechsel wird auf diese Weise genauso entkräftet.

Bewusstes Downshifting lässt einen als Bewerber dann nicht mehr als überqualifiziert dastehen, sondern als konsequent in persönlichen Belangen. Ob dieses Downshifting vom Arbeitgeber akzeptiert wird oder ob er weiter davon ausgeht, dass man überqualifiziert ist, ist immer eine mit Risiken behaftete Frage. Klares Argumentieren ist trotzdem von Vorteil, denn ohne Begründung wird es mit der neuen Stelle auf alle Fälle nichts.

 

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